Endlich wieder Schule mit Verrückt? Na und!

2. Dezember 2020

Das Präventionsprojekt zur seelischen Gesundheit Verrückt? Na und! richtet sich vorwiegend an Jugendliche und junge Erwachsene, aber auch an Personen, die mit jungen Menschen in Kontakt sind. Ein wichtiges Ziel des Projektes ist es, Vorurteile gegenüber Menschen mit psychischen Erkrankungen abzubauen und dadurch die Angst zu nehmen, über psychische Gesundheitsprobleme zu sprechen und sich frühzeitig Hilfe zu suchen. Denn wir alle wissen: psychische Gesundheitsprobleme sind zutiefst menschlich. Unser Projekt, das von einem multi-erfahrenen  Team gestaltet wird, lebt von Begegnung und Berührung. Multi-erfahren ist das Team, weil fachliches und persönliches Erfahrungswissen vertreten sind, deshalb ist es möglich miteinander zu reden und persönliche Begegnungen zu erleben.

„Durch meine soziale Angststörung ist die Teilnahme am Schulprojekt immer wieder auch eine persönliche Herausforderung. Doch noch jedes Mal brachten mir die Schülerinnen und Schüler so viel Respekt, Interesse und Dankbarkeit entgegen, dass bislang ein jeder dieser Projekttage auch für mich ein großer Gewinn war. Im Hinblick auf meine eigene Geschichte hätte ich mir neben alledem gewünscht, dass es in meiner Schulzeit auch einmal eine solche Informationsveranstaltung zum Thema ‚Psychische Gesundheit‘ gegeben hätte; möglicherweise wäre mir einiges an Leid erspart geblieben.“

von Matthias Zellmer

Durch die Projektförderung durch 7 Stiftungen haben wir erstmalig eine 0,5-Stelle zur Koordination des Projektes für den Stuttgarter Raum zu Verfügung. Die  Schulen kamen in den vergangenen Monaten fast zum Erliegen, wodurch auch die Projekttage in den Klassen nicht stattfinden konnten. Die Einschränkungen haben wir genutzt, neue Ideen und weitere Umsetzungsmöglichkeiten zu entwickeln und auszuprobieren.

Eine Zeitlang haben wir uns mit der Frage beschäftigt, wie wir online Projekte gestalten können. Es gilt herauszufinden, wie viel Distanz bei diesem Thema möglich ist. Es wurde umfangreich im Team diskutiert und auch ausprobiert. Doch unsere Erfahrungen der letzten Monaten zeigen, dass der Weg durch das World Wide Web zu lang ist, um die Schüler*innen unmittelbar zu erreichen  und mitnehmen zu können. Uns  geht es um eine ganzheitliche Wahrnehmung – bei einer online Veranstaltung können wir nicht einschätzen, was auf der anderen Seite passiert, wie die Jugendlichen den vermittelten Inhalt interpretieren, wie es ihnen damit geht. Diesen schlechten Kompromiss wollten wir als Team nicht eingehen. Alle Veranstaltungen im Kontext von Lehrerfortbildungen und ähnlichem sind aus unserer Sicht gut vorstellbar auch online durchzuführen.

Wir möchten die Schüler*innen bei ihrer gesunden seelischen Entwicklung unterstützen. Aktuell bieten wir den Projekttag im Rahmen der Einhaltung der Hygienemaßnahmen an – ganz individuell auf die jeweiligen Gegebenheiten der Schule angepasst.

Die Anfragen steigen fast täglich und wir freuen uns, endlich wieder in Kontakt mit den Schüler*innen zu sein – immer noch auf körperlicher Distanz. Wir suchen auch Räumlichkeiten, in die wir die Klassen einladen können, sodass die Schulen räumlich entlastet werden können.

Als Herzstück des Projektes und was die Jugendlichen am meisten berührt, sind die geteilten Erfahrungen und Hoffnungen der persönlichen ExpertInnen.  Jugendliche melden zurück, dass sie dadurch erlebt haben, „wie sich das wirklich anfühlt und was man dabei denkt“. Sie sind ein Vorbild für die Jugendlichen, „weil sie mit den schlimmen Erlebnissen so gut umgehen können“. Und „wie Menschen trotz einer psychischen Erkrankung so stark sein können und so erfolgreich ein Leben führen“ beeindruckt die Jugendlichen immer wieder. Gerade die persönlichen Expert*innen vermitteln den Jugendlichen Mut und Hoffnung, psychische Krisen auch im eigenen Leben gut bewältigen zu können.

„Ich beteilige mich an dem Projekt, weil ich der Meinung bin, dass psychische Krankheiten in keinem Umfeld, ein Tabuthema mehr sein sollten. Ich will, dass die Menschen offen über ihr psychisches Befinden reden können, mit ebenso viel Toleranz, als würden sie von einem gebrochenen Bein erzählen. Vor allem, aber will ich, dass sie wissen, dass sie nicht alleine sind und es Hilfe gibt, die man annehmen darf, ohne sich schwach zu fühlen.“

von Linda

Den Jugendlichen gefällt auch, dass sie sich und ihr Erlebtes ernst genommen fühlen und nach ihren Meinungen gefragt werden. Sie schätzen den respektvollen Umgang auf Augenhöhe mit ihnen. Wir halten keinen Vortrag, sondern gestalten interaktiv, vielfältig und agil die Stunden – auch hierzu erhalten wir oft positive Rückmeldung von den Schüler*innen.

Aber auch für die Lehrenden und weitere Gruppen ist der Projekttag gewinnbringend. Sie fühlen sich entlastet, bekommen Hilfe an die Hand und sind froh, bei einem immer noch anspruchsvollen Thema Unterstützung zu erhalten.

Wie wichtig psychische Gesundheit ist, wurde durch Corona, wie durch eine Lupe betrachtet, stärker sichtbar. Die Wissenschaftler*innen der COPSY-Studie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf rechneten zwar mit einer größeren Belastung für Kinder und Jugendlichen in Deutschland durch Corona und deren Auswirkungen auf die psychische Gesundheit – mit diesem Ausmaß aber nicht. Laut COPSY-Studie fühlen sich 71 Prozent der befragten Kinder und Jugendlichen durch die Corona-Pandemie belastet, zwei Drittel erleben eine verminderte Lebensqualität und ein geringeres psychisches Wohlbefinden (vor Corona ein Drittel). Es fehlen ihnen die gewohnte Tagesstruktur und ihre Freunde, beides ist für die psychische Gesundheit sehr wichtig. (vgl. Presse-Mitteilung vom 10.07.2020)

 

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